Rahmengenäht, Die königliche Machart

Ein typischer Ludwig Reiter Schuh ist rahmengenäht: eine klassische, früher sehr häufig angewandte Technik, die heute weltweit nur noch von wenigen Schuhproduzenten beherrscht und eingesetzt wird – nicht zuletzt, weil sich schnellere und damit kostengünstigere Methoden der Schuhherstellung weitgehend durchgesetzt haben, ohne dass dadurch die Qualität besser geworden wäre.

Bei der „königlichen Machart“ des Rahmennähens entsteht in 200 bis 300 Arbeitsschritten aus erstklassigem Leder ein sehr dauerhafter, dabei komfortabler und eleganter Schuh mit hervorragenden Trageeigenschaften, der, entsprechend gepflegt, mit den Jahren immer schöner wird.

Die bewegliche Mitte

Die besondere Herausforderung bei der Herstellung eines Schuhs besteht darin, das Oberteil mit dem Schuhboden so zu verbinden, dass der Schuh weich, bequem, elastisch und trotzdem robust und dauerhaft ist. An sich ein Widerspruch, der aber durch das Rahmennähen aufgelöst wird, indem man das Oberteil mit der Laufsohle durch zwei separate Nähte verbindet, die beweglich und zugleich langlebig sind.

Dazu werden zuerst das Oberteil und die Brandsohle (Innensohle) mit einem um den Schuh laufenden Lederband – dem Rahmen – zusammengenäht. In einem weiteren, gesonderten Arbeitsschritt verbindet man dann diesen Rahmen durch eine zweite Naht mit der Lederlaufsohle. Der Oberteil des Schuhs und die Laufsohle sind also nicht direkt, sondern indirekt und flexibel miteinander verbunden.

Vorteil des Rahmennähens: Der ganze Schuh ist um eine „bewegliche“ Mitte herum – den Rahmen – aufgebaut, die es dem Schuh ermöglicht, den überaus komplexen Bewegungsablauf des Fußes beim Gehen flexibel nachzuvollziehen. Dies sorgt für höchsten Tragekomfort.

Schritt 1: Oberteil, Brandsohle und der Rahmen – ein rundum laufendes Lederband – werden zusammengenäht.
Schritt 1: Oberteil, Brandsohle und der Rahmen – ein rundum laufendes Lederband – werden zusammengenäht.

Schritt 2: Lederlaufsohle und Rahmen werden zusammengenäht.
Schritt 2: Lederlaufsohle und Rahmen werden zusammengenäht.

Oberteil und Laufsohle sind nicht direkt, sondern indirekt – über zwei separate Nähte und den Rahmen – miteinander verbunden. Diese Konstruktion ist flexibel und robust zugleich.
Oberteil und Laufsohle sind nicht direkt, sondern indirekt – über zwei separate Nähte und den Rahmen – miteinander verbunden. Diese Konstruktion ist flexibel und robust zugleich.

Optimaler Tragekomfort

Um den Tragekomfort des rahmengenähten Schuhs weiter zu erhöhen, wird der Raum zwischen Brandsohle und Laufsohle mit Korkmasse ausgefüllt, in die zur Stabilisierung und Stoßdämpfung ein Holzplättchen – das „Holzgelenk“ – eingelegt ist.

Weiterer Vorteil von rahmengenähten Schuhen mit Lederlaufsohle: Zwischen Fußsohle und Schuhboden gibt es keine Sperrschicht aus Kunststoff oder Klebstoff, welche die Hautatmung behindern würde. Die Luftdurchlässigkeit des Leders ist insofern wichtig, als sich auf der Fußsohle besonders viele Schweißporen befinden.

Eine bedeutende Rolle spielt daher auch das Lederinnenfutter, welches für das „Schuhklima“ ebenso wichtig ist wie das Oberleder, muss es doch einen großen Teil der Feuchtigkeit des Fußes aufnehmen.

Bis sie optimalen Tragekomfort bieten, müssen rahmengenähte Schuhe eine Weile „eingetragen“ werden: Das Leder muss sich erst an die Form des Fußes gewöhnen, die Lederbrandsohle und die darunter liegende Korkschicht brauchen etwas Zeit, um ein individuell angepasstes Fußbett auszubilden.

Es ist also nicht nur ihre Dauerhaftigkeit, sondern vor allem der sich aus der Konstruktion der beiden elastischen Nähte und der Korkeinlage ergebende besondere Tragekomfort, der rahmengenähte Schuhe so einzigartig macht.

Technologietransfer

Das zuvor ausschließlich in reiner Handarbeit mit Ahle, Nadeln und Zwirn ausgeführte Rahmennähen wurde vor allem durch mehrere vom US-Amerikaner Charles Goodyear jun. 1872 in den Vereinigten Staaten patentierte Spezialnähmaschinen mechanisiert und rationalisiert. Von daher stammt der häufig für rahmengenähte Schuhe verwendete Begriff „Goodyear welted“ bzw. „Goodyear-Verfahren“.

Ludwig Reiter II., der Sohn des Firmengründers, hatte am Beginn des 20. Jahrhunderts mehrere Jahre in der Schuhfabrik Endicott Johnson in den USA gearbeitet und dort das mechanisierte Rahmennähen kennen gelernt.
Bei seiner Rückkehr 1909 brachte er die Goodyear-Technik nach Wien mit, erwarb die entsprechenden Maschinen und baute den Handwerksbetrieb seines Vaters schrittweise in eine „Schuhfabrik“ um.

Seither hat sich bei Ludwig Reiter technologisch im Grunde nicht viel verändert. Es sind sogar noch heute Maschinen aus dieser Anfangszeit in Verwendung. Die klassische Technik des Rahmennähens ist nach wie vor die unübertroffene, international renommierteste und daher sehr zeitgemäße Art der Erzeugung von Qualitätsschuhen: ein schönes Beispiel für das Leitmotiv Ludwig Reiters: „Die Zukunft der Tradition“.

Individuelle Anfertigungen möglich

Da beim Rahmennähen der Bodenaufbau nicht vorgefertigt werden kann, sondern erst Schritt für Schritt direkt am Schuh entsteht, und da gutes Leder ein individuell gewachsenes Naturprodukt ist, müssen rahmengenähte Schuhe nach wie vor handwerklich gefertigt werden.
Das ermöglicht gleichzeitig hohe Flexibilität in der Produktion und viele Möglichkeiten zur Erfüllung individueller Kundenwünsche in Bezug auf die Kombination verschiedener Leisten, Oberleder und Sohlen (Privatanfertigung).